08. September 2022 | Position
Der Landesverband Hessen im Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI Hessen) äußert sich in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen des Hessischen Landtags zum Gesetzentwurf.
Die Chemie-Branche benötigt für ihre chemischen Prozesse "von Natur aus" viel Energie – sie ist energieintensiv. Umso selbstverständlicher ist es für die Unternehmen Prozesse so effizient und damit so klimaschonend wie möglich zu gestalten. In der politischen Debatte spielen Sicherheit und Wirtschaftlichkeit ihrer Energieversorgung eine besonders große Rolle, da diese die Grundlage bilden.
Der vorliegende Gesetzentwurf zum Hessischen Energiegesetz legt den Fokus fast ausschließlich auf das Engagement der Landesregierung und deren Vorbildfunktion. Dieses Selbstverständnis ist zu begrüßen, kommt doch der Legislative eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern zu. Landeseigene Gebäude sollen mit Photovoltaik ausgestattet und kommunale Wärmeplanungen für 59 hessische Gemeinden verpflichtend gemacht werden. Auch soll die Förderquote erhöht und somit geltende Mindestanforderungen für Neu- und Erweiterungsbauten sowie Sanierung von Gebäuden übererfüllt werden.
Explizit betroffen ist die Wirtschaft bei §12 „Photovoltaikanlagen auf nicht landeseigenen Stellplätzen“. Wenngleich eine Ausnahmeregelung für Unternehmen möglich ist, kann diese lediglich auf Antrag angefordert werden. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der betroffenen Unternehmen wäre sinnvoller, wenngleich auch damit zusätzliche Gutachten notwendig würden und erhöhter bürokratischer Aufwand entstünde.
Fragwürdig sind mitunter die Kostenschätzungen, die entweder sehr niedrig (Umsetzung höherer Energieeffizienzanforderungen) oder gar nicht (Umbau landeseigene Gebäude) beziffert werden können. Hier muss ein gewissenhafter Gesetzgeber nacharbeiten.
Aus der Sicht der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist noch viel interessanter was nicht im Gesetz und in der sich anschließenden Begründung enthalten ist:
Hessische Wasserstoffstrategie überarbeiten
Unsere Industrie hat bereits heute einen großen Wasserstoffbedarf, der sich bis zur Klimaneutralität 2045 knapp versiebenfachen wird. Die Abdeckung dieses großen Bedarfs und auch des Bedarfs anderer Branchen und Sektoren erfordert eine technologieoffene Betrachtung der treibhausgasarmen Wasserstofferzeugung. Die bisherige Strategie gibt auf Infrastruktur, Import sowie Speicherung keine Antworten. Insbesondere der Zeithorizont der für langfristige Investitionen wichtig wäre, fehlt. Fragen zur Förderung verschiedener Herstellungsverfahren von Wasserstoff bleiben ungeklärt. Entscheidend sollte der CO2-Fußabdruck und nicht das Herstellungsverfahren sein. So müssen neben der elektrolytischen Erzeugung von Wasserstoff mittels regenerativen Stroms auch alle übrigen Technologien offen betrachtet werden, die sich zur treibhausgasarmen Herstellung von Wasserstoff eignen, wie z.B. Chlor-Alkali-Elektrolyse, Methanpyrolyse sowie Dampfreformierung mit dem Einsatz von Biomethan und/oder CCS/CCU-Technologien (Speicherung/Nutzung des entstehenden Kohlenstoffdioxids bzw. Kohlenstoffs).
Keine pauschale Energieeffizienzvorgaben für die Chemie
Kluge Energiepolitik betreiben, heißt auch Energie einsparen. Energieeffizienz ist seit Jahrzehnten alleine aus wirtschaftlichen Gründen ein wesentliches Ziel der Industrie. Das auf Bundesebene geplante Energieeffizienzgesetz findet hier keine Erwähnung. Avisiert sind u.a. Energieeffizienzvorgaben basierend auf Vergleichsmaßstäben aufzustellen. Diese wären in der Praxis jedoch nicht umsetzbar. Warum? Chemische Anlagen, insbesondere der Großchemie stellen in ihrer technischen Konfiguration Individuen dar. Grenzwerte oder Energieeffizienzwerte festzulegen bedürfe jedes Mal einer Einzelfallprüfung.
Infrastrukturvorhaben beschleunigen
Schon heute sind die Genehmigungsbehörden überlastet. Die aktuelle Gasversorgungskrise und die dafür beschlossene Gesetzgebung sowie vielfach anstehende Brennstoffwechsel in den Unternehmen (fuel switch) fordern die Behördenbeschäftigten (und Unternehmen gleichermaßen). Es steht daher außer Frage, dass für eine erfolgreiche Energiepolitik größere Kapazitäten in den Behörden geschaffen werden müssen. Die zusätzlich zur Gas-Krise anstehende IED-Novellierung wird zu weiteren Einzelfallprüfungen und damit zur Überlastung der Behörden führen. Die Appelle der Industrie zur Stärkung und Ausbau der zuständigen Behörden verhallen seit Jahren. Wer jedoch die Transformation der Gesellschaft voranbringen möchte, muss die entsprechenden (Genehmigungs)-Prozesse beschleunigen.
Aktuell zur Gasumlage
Der VCI plädiert dafür, die Gasumlage durch staatliche Zuschüsse möglichst gering zu halten. Sie könnten etwa durch Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuer, die aufgrund der hohen Energiepreise entstehen, gegenfinanziert werden.
Begleitend zum Energiegesetz fordern wir entsprechende weiterführende Maßnahmen. Wir brauchen jetzt:
- einen raschen und vorausschauenden Ausbau der Energieinfrastruktur
- wettbewerbsfähige Preise für Strom und Wasserstoff
- ein ausreichendes Angebot an grünem Wasserstoff
- Planungssicherheit für Investitionen
- sowie beschleunigte Genehmigungsverfahren.
Kontakt
Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
RA Gregor Disson
- E-Mail: disson@vci.de
Anne Meister
- E-Mail: meister@vci.de