09. November 2018 | Bericht
Welche Implikationen ergeben sich aus dem deutschen langfristigen Klimaschutzziel bis zum Jahr 2050 für die chemisch-pharmazeutische Industrie? Als Vorbereitung für eine Roadmap, die für die deutsche Branche mögliche Wege in die „Treibhausgasneutralität“ bis 2050 aufzeigen soll, hat der VCI in einer Metastudie von dem Beratungsunternehmen FutureCamp sechs aktuelle Studien analysieren lassen. Diese blicken aus unterschiedlicher Perspektive voraus ins Jahr 2050.
In Deutschland wird derzeit intensiv über den Ausstieg aus der Kohleverstromung diskutiert. Nur der Zeitpunkt ist noch offen. Gleichzeitig wurden 2017 hierzulande noch 37 Prozent des Stroms aus Kohle erzeugt. Der geplante Ausstieg ist eine erste sichtbare Konsequenz aus den langfristigen Klimaschutzzielen der Bundesregierung, die bis 2050 die Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent vorsehen. Noch einen Schritt weiter geht der neue Sonderbericht des Weltklimarats IPCC: Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, müssten die Emissionen weltweit bis 2050 auf null zurückgefahren werden. Wenn der Weg in eine „treibhausgasneutrale“ Zukunft nicht über Produktionsstilllegungen führen soll, werden recht schnell neue Technologien für die Minderung der Emissionen in allen Sektoren der Wirtschaft benötigt. Rein technisch gesehen stehen diese zur Verfügung, ihr Einsatz bedeutet allerdings den kompletten Umbau bestehender Strukturen.
Schutz vor Carbon Leakage zwingend
Die in der Metastudie von FutureCamp untersuchten Studien zeigen auf, dass schon die Fortführung der heutigen Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland, die bis zum Jahr 2050 zur Minderung des Treibhausgasausstoßes um nur rund 60 Prozent gegenüber 1990 führen sollen, erhebliche Kosten verursachen. Für weitergehende Maßnahmen und damit verbundene Belastungen sind die Akzeptanz der Gesellschaft und eine effektive Implementierung zentrale Herausforderungen. Trotz beachtlicher Fortschritte der vergangenen Jahre zeigen Extrapolationen, dass Deutschland die Ziele der Energiewende ohne weitere Maßnahmen teilweise sehr deutlich verfehlen wird.
Metastudie zu den Klimaschutzzielen der Chemie
Die inhatllichen Schwerpunkte der sechs untersuchten Studien:
Langfristige Optionen: FutureCamp untersuchte für den VCI sechs Studien mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, um Wege zur Senkung von Traubhausgasen herauszuarbeiten. Die Studie gibt es für VCI-Mitglieder über den hier unterlegten Link (Log-in erforderlich) .
Die Studien basieren oft auf stark idealisierenden Annahmen zur Implementierung der vorgeschlagenen Maßnahmen. Ein Beispiel dafür ist der vorausgesetzte Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie, damit sie keine Produktion verlagern muss (Carbon Leakage): Dieser wird in den Studien auch nach 2030 angenommen; wie er aber konkret aussehen könnte, bleibt offen. Zur Deckung des Rohstoffbedarfs und zum Umgang mit Emissionen aus Prozessen der Chemieindustrie machen die untersuchten Analysen nur wenige und unterschiedliche Aussagen.
Treibhausgasrelevanz der Chemie
An welcher Stelle im Lebenszyklus von Chemieprodukten entstehen Emissionen?:
Positiver Effekt: Die Herstellung von Chemieprodukten verursacht an verschiedenen Stellen Treibhausgasemissionen. Allerdings sparen die Produkte bei der späteren Anwendung weit mehr Emissionen ein.
Die größte Lücke erweist sich aber bei der Betrachtung der Kosten für die Transformation: Die meisten Studien zeigen eine technische und auch volkswirtschaftliche Machbarkeit auf, ohne dass auf die betriebswirtschaftliche Realisierbarkeit eingegangen wird, die in unterschiedlichen Branchen sehr unterschiedlich ausfällt. Für die Chemie gibt die Studie der DECHEMA von 2017 erste Hinweise: Einerseits muss ein immenser Investitionsbedarf in neue Anlagen und Prozesse gestemmt werden, andererseits werden die CO2-neutral hergestellten Produkte um ein Mehrfaches teurer sein als ihre fossil basierten Pendants. Die Einbindung in internationale Märkte und die Frage, ob eine Transformation im weltweiten Maßstab stattfindet oder nur isoliert in Deutschland und Europa, dürfte deshalb am Ende entscheidend für den Erfolg der Transformation sein.
„Die bisherigen Studien zeigen, dass der Weg zu einer treibhausgasneutralen Chemie 2050 schwierig und teuer ist. Aber es gibt Optionen, und die werden wir nun anhand einer Roadmap untersuchen.“
Utz Tillmann, VCI-Hauptgeschäftsführer
Auf Basis der Metastudie wird der VCI nun in den kommenden Monaten eine Roadmap erarbeiten. Diese soll aufzeigen, mit welchen Technologien zu welchen betriebswirtschaftlichen Kosten welche CO2-Minderung erreichbar sein könnte. Zusätzlich soll der erforderliche Forschungsaufwand ermittelt werden.
INFO: Die stärkste CO2-Minderung ...
... haben im vergangenen Jahrzehnt die Industrie und die Stromerzeugung geliefert: Europaweit konnten diese beiden Sektoren ihren Treibhausgasausstoß von 2005 bis 2016 um 24 Prozent mindern.
Branchen wie die Chemie sind seit 2005 vom europäischen Emissionshandel erfasst, der zu einer zuverlässigen weiteren Minderung führt.
Großen Nachholbedarf haben dagegen die Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft: Hier sanken die Emissionen im Zeitraum 2005 bis 2016 nur um 8 Prozent, was vor allem dem mangelnden Fortschritt im Verkehrssektor geschuldet ist. Gerade in diesen Bereichen kann der Einsatz von Chemieprodukten helfen, CO2-Emissionen einzusparen.
Dieser Artikel ist im chemie report 11/2018 erschienen.
- „Herausforderung Klimaschutz" - Standpunkt von VCI-Präsident Hans Van Bylen aus dem chemie report 11/2018
- VCI-FutureCamp-Metastudie „Transformationspfade für die chemische Industrie in Deutschland" (für VCI-Mitglieder; Log-in erforderlich)
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Dipl.-Kfm. Tilman Benzing
Bahntransport, Binnenhäfen, Chlor, Intralogistik, Seeverkehr, Verkehrsinfrastruktur
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