21. Mai 2021 | Standpunkt
Die „Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit“ ist ein Vorhaben der EU-Kommission, um das Null-Schadstoff-Ziel des Green Deals umzusetzen. Die geplanten Reformen der REACH- und der CLP-Verordnung drohen aber, Mittelständler aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie zu überfordern. Bei der Umsetzung muss daher auf die Machbarkeit durch diese Unternehmen besonders geachtet werden. Insbesondere die Lösungskompetenz industrieller Mittelständler ist für das Gelingen des Green Deals entscheidend.
Wie stellt sich die Chemie- und Pharmaindustrie in Deutschland wohl aus Sicht der EU-Kommission in Brüssel dar? Ist dort bekannt, dass der vitale und breit gefächerte Mittelstand ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Branche und der gesamten Industrie ist? Die weitaus meisten der rund 2.000 Chemieunternehmen in Deutschland sind mittelständisch geprägt. Sie haben sich mit ihren Produkten – vor allem im Bereich Fein- und Spezialchemikalien – eine oder mehrere Nischen erschlossen. Nicht selten zählen sie zu den globalen Marktführern auf ihrem Arbeitsgebiet.
Mittelständler haben im Vergleich zu Großunternehmen weniger Mitarbeiter zur Verfügung, um Regulierungsaufgaben zu erfüllen. Dennoch müssen sie selbstverständlich dieselben gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Seit Jahren müssen mittelständische Chemieunternehmen viel Kraft und Energie in die Umsetzung der europäischen Chemikalienverordnung REACH investieren. Die nun geplanten Verschärfungen der Chemikaliengesetze bereiten ihnen große Sorge.
Die EU-Kommission will im Rahmen ihrer Chemikalienstrategie unter anderem neue, erwartete Datenanforderungen einführen. Die Chemikalienstrategie soll auch neue Begriffe wie „sichere und nachhaltige Chemikalien“, „bedenkliche Stoffe“ oder „essenzielle Verwendungen“ etablieren. Hier sind klare Definitionen nötig, bei denen die praktischen Auswirkungen berücksichtigt werden.
Chemikalienvielfalt benötigt
Mittelständler haben ihre Domäne im Bereich Fein- und Spezialchemie. Diese Stoffe stehen am Ende langer Chemie-Wertschöpfungsketten. Sie wurden und werden passgenau für Kunden in anderen Industriebranchen entwickelt. Zu diesem Bereich zählen etwa Farbstoffe, Pigmente, Anstrichmittel, Druckfarben, Kitte, Pflanzenschutz- und Desinfektionsmittel sowie Klebstoffe.
Sollte die Chemikalienstrategie unverändert umgesetzt werden, wird sich die Zahl verfügbarer Chemikalien in Europa deutlich verringern. Aufgrund neuer Gefahrendefinitionen könnten künftig Ausgangschemikalien für die Produktion von Spezialanwendungen im Mittelstand wegfallen.
Dabei sind die Innovationen aus dem Mittelstand wichtige Problemlöser und setzen neben Erfindergeist auch Chemikalienvielfalt voraus. Oberste Maxime für Unternehmen wie Follmann Chemie ist es, unseren Kunden sichere und nachhaltige Lösungen zu liefern. Deshalb sind für uns bereits jetzt im gesamten Produktlebenszyklus Ressourcenschonung und die Reduzierung von Umweltbelastungen extrem wichtig. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Fortschritte am besten produktbezogen möglich werden.
Wir sehen Nachhaltigkeit nicht nur als Schlagwort an, sondern als Verpflichtung gegenüber jetzigen und künftigen Generationen. Nachhaltigkeit spielt eine zentrale Rolle im Tagesgeschäft – sowohl bei der Rohstoffbeschaffung als auch in der Produktion. Um die Ziele des Green Deals zu erreichen, sollte die EU nicht auf pauschale Verbote und Bürokratie setzen, sondern vor allem auf die Lösungskompetenz der Unternehmen.
Dr. Henrik Follmann, Follmann Chemie, Mitglied des VCI-Präsidiums und Vorsitzender des Ausschusses Selbstständiger Unternehmer (ASU)