EU plant erweiterte Herstellerverantwortung auch im Wasserrecht

Moderate Haltung der Bundesregierung

14. Juni 2023 | Bericht

Die EU-Kommission will die „erweiterte Herstellerverantwortung“ auch auf das Wasserrecht übertragen.

Die erweiterte Herstellerverantwortung soll auch auf den Gewässerschutz übertragen werden. © Fotolia
Die erweiterte Herstellerverantwortung soll auch auf den Gewässerschutz übertragen werden. © Fotolia

Die Position der Bundesregierung hierzu: nicht zufriedenstellend, aber überraschend moderat.

Die EU-Kommission will die sogenannte erweiterte Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility – EPR), wie man sie aus dem Bereich Abfall beispielsweise bei der Rücknahme von Altbatterien kennt, auch auf den Gewässerschutz übertragen. Dazu plant sie eine entsprechende Abgabe der Industrie, mit der eine zusätzliche 4. Reinigungsstufe in kommunalen Kläranlagen finanziert werden soll. Rückenwind erhält das Vorhaben der Brüsseler Behörde durch ehrgeizige Umweltqualitätsnormen (UQN), die sie für verschiedene pharmazeutische Wirkstoffe wie Diclofenac, Ibuprofen oder Östradiole einführen will. Sollten die ambitionierten Grenzwerte für diese Stoffe in Form von UQN eingeführt werden, wird sich in Deutschland und Europa die Diskussion über die Finanzierung einer 4. Reinigungsstufe weiter verschärfen.

Wie steht die Bundesregierung zu den Brüsseler Plänen? Im Vergleich zu den europäischen Vorschlägen ist ihre Position ist nicht zufriedenstellend, aber überraschend moderat, urteilt der VCI: Es soll ein risikobasierter Ansatz für die Auswahl der kommunalen Kläranlagen gelten, die mit einer 4. Reinigungsstufe ausgerüstet werden sollen. Im Gegensatz dazu will die EU-Kommission unabhängig vom Risiko alle kommunalen Kläranlagen mit einer entsprechenden Reinigungsstufe ausstatten, wenn daran mehr als 100.000 Einwohner angeschlossen sind.

Neben Pharmazeutika und Kosmetika möchte die Bundesregierung auch andere Produkte mit einer Abgabe belegen. Dabei sollen entsprechende Kosten der 4. Reinigungsstufe lediglich „anteilig“ von der Industrie finanziert werden. Dagegen sehen die EU-Pläne eine vollständige Kostenübernahme durch Pharma- und Kosmetika-Hersteller vor.

Während die EU eine „private Organisation für die erweiterte Herstellerverantwortung“ gründen will, bevorzugt Deutschland eine neue staatliche Stelle analog zur Emissionshandelsstelle am Umweltbundesamt.

Deutschland regt an, dass Unternehmen nur dann betroffen sind, wenn sie pro Jahr mehr als 2 Tonnen eines Stoffes auf den Markt bringen. Die EU-Kommission dagegen bezieht sich auf eine Produktmenge von 2 Tonnen jährlich. Das bedeutet beispielsweise, dass neben dem Wirkstoff in einem Arzneimittel auch Füllstoffe berücksichtigt werden.

Deutschland plädiert für längere Fristen, um den Kommunen mehr Zeit zu geben, eine 4. Reinigungsstufe zu errichten. Die Bundesregierung hält die von der EU vorgeschlagenen Fristen für zu kurz.

Wie geht es weiter?

Nach der Sommerpause wird das EU-Parlament über die Kommunalabwasserrichtlinie mit den Vorgaben für eine EPR abschließend abstimmen. Neben Deutschland haben auch andere Mitgliedstaaten eine Stellungnahme abgegeben – eine Position des EU-Rates gibt es noch nicht. Der VCI geht davon aus, dass die schwedische Ratspräsidentschaft bis zum Ende ihrer Amtszeit im Juni 2023 einen Kompromissvorschlag vorlegen wird.

Es bleibt ebenfalls abzuwarten, wie sich die spanische Ratspräsidentschaft entwickeln wird. Aufgrund vorgezogener nationaler Wahlen will sie ihre Prioritäten erst später als geplant öffentlich bekannt geben. Bislang wird dem Thema Kommunalabwasserrichtlinie mit der EPR eine mittlere Priorität eingeräumt. Auch die Europawahl im Juni 2024 könnten Einfluss auf den Legislativvorschlag haben.

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Dr. Thomas Kullick

Dr. Thomas Kullick

Anorganische Schwefelverbindungen, Boden- und Gewässerschutz