5 Wirkstoffe gegen die Krise

07. Januar 2021 | Bericht

Im Zuge der zweiten Corona-Infektionswelle haben sich auch in vielen Chemieunternehmen die Geschäftsaussichten eingetrübt. Es wächst deshalb die Sorge, dass weiterhin die richtigen politischen Maßnahmen getroffen werden, um dauerhafte Schäden rechtzeitig abzuwenden. In ihrem Politikbrief „Therapie für den Aufschwung“ gibt die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie Empfehlungen, wie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die richtigen Mittel und Wege finden, damit Deutschland und Europa möglichst stark und geschlossen aus dieser Krise hervorgehen.

Entschlossenes Krisenmanagement

Die Gesundheit der Bevölkerung steht an erster Stelle. Dies erfordert zum Teil drastische Maßnahmen, um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen. Um Infektionen frühzeitig zu entdecken und wirksame Quarantänemaßnahmen einzuleiten, sollten neue Testverfahren entwickelt, Schnelltests für besonders Gefährdete flächendeckend zur Verfügung gestellt sowie die verfügbaren Testkapazitäten erweitert und effektiv eingesetzt werden. Zugleich müssen die Gesundheitsämter so lange wie erforderlich personell verstärkt und die Kontaktnachverfolgung digitalisiert werden. Dies erfordert auch Weiterentwicklungen der Corona-Warn-App.

Die Impfung gegen COVID-19 muss unter Hochdruck weiter vorangetrieben werden. Die chemisch-pharmazeutische Industrie engagiert sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, damit die Impfstoffe und Verfahren rasch und flächendeckend zum Einsatz kommen. Parallel müssen Entwicklung und Einsatz wirksamer Therapien zur schnellen und vollständigen Behandlung und Genesung Infizierter vorangetrieben werden.

Zudem ist durch Hygiene- und Schutzmaßnahmen ein sicherer Betrieb von zentralen Dienstleistungen wie Schulen, Verkehr und Verwaltung sicherzustellen. Damit das öffentliche Leben nicht stillsteht, dürfen das Schließen von Schulen, Kindertagesstätten, Einzelhandel, Hotels und Gaststätten sowie Reiseverbote und Ausgangssperren nur als Ultima Ratio zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind und ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems droht.

Offenheit, Diversifizierung und Zusammenarbeit

Eine hohe Widerstandsfähigkeit unseres Gemeinwesens, unseres Gesundheitssystems und unserer Wirtschaft erreichen wir durch gute Standortbedingungen für die Pharmaindustrie und die Gesundheitswirtschaft insgesamt, durch enge europäische und internationale Zusammenarbeit sowie durch Vorratshaltung und eine Erweiterung der Lieferantenbasis in andere Länder.

Das Frühjahr hat gezeigt: Handel und Grenzverkehr dürfen nicht durch Ad-hoc- Maßnahmen behindert werden, sonst geraten Wertschöpfungsketten in Schwierigkeiten. Gerade in Krisensituationen ist stattdessen Pragmatismus nötig. Um Versorgungsengpässe zu vermeiden, muss der Warenverkehr im EU-Binnenmarkt grundsätzlich geöffnet bleiben. Die Wirtschaft und die Versorgung der Bürger dürfen nicht durch unnötige Handelsbeschränkungen oder -kontrollen verzögert und gefährdet werden. Im internationalen Kontext sollte der Abbau von Barrieren für gesundheitsrelevante Produkte hohe Priorität erhalten.

Engpässe, etwa bei Schutzmasken, Medikamenten oder medizinischem Gerät, können im Vorhinein durch eine gute regulatorische Zusammenarbeit zwischen den Handelspartnern oder durch kurzfristige temporäre Anpassungen der Regeln im akuten Krisenfall vermieden werden.

Maßvolle finanzielle Unterstützung

Die Liquidität vieler Unternehmen ist und bleibt kritisch. Die öffentliche Hand sollte sich deshalb unter anderem durch Fälligkeitsverschiebungen bei Lohnsteuer, Steuernachzahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen sowie bei der Rückzahlung von Überbrückungskrediten weiterhin großzügig zeigen. Gerade im industriellen Mittelstand könnte eine Stundung von Kreditschulden oder gar ein Teilerlass geboten sein, da von einer wirtschaftlichen Erholung auszugehen ist. Aber generelle und unspezifische Verlängerungen sind teuer und kritisch, wenn dadurch strukturelle Unwirtschaftlichkeit künstlich erhalten wird. Stattdessen muss die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand und die Stabilität des Finanzsystems gesichert werden. Nothilfen dürfen nicht zulasten öffentlicher Investitionen gehen oder gar zu Steuererhöhungen führen.

Starkes Zukunftsprogramm

Die wirtschaftspolitische Weichenstellung für die neue Legislaturperiode erfolgt schon bald. Sie muss angesichts des kräftezehrenden Krisenmodus zwingend ein Zukunfts- und Transformationsprogramm enthalten, das den Industriestandort Deutschland im internationalen Wettbewerb stärkt sowie die digitale und nachhaltige Transformation der Wirtschaft weiter vorantreibt. Ein solches Zukunftsprogramm sollte auch Investitionen in die Infrastruktur und eine Unternehmenssteuerreform enthalten.

Neue finanzielle, personelle oder bürokratische Belastungen sind unbedingt zu vermeiden – dies gilt vor allem mit Blick auf die stark mittelständisch geprägte Wirtschaft in Deutschland. Kritisch zu sehen sind deshalb aktuell das Gesetzesvorhaben zum Unternehmenssanktionsrecht, zusätzliche Informationspflichten in der Lieferkette oder das Recht auf einen Heimarbeitsplatz.

EU-weit Impulse für Wirtschaft und Industrie

Die Europäische Union mit ihrer Gemeinschaftswährung und ihrem großen Binnenmarkt ist unverzichtbar – auch für die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie. Deutschland muss deshalb weiterhin ein großes Interesse an einer EU-weiten Überwindung der Krise haben. Das Aufbauprogramm NextGenerationEU und der mehrjährige Finanzrahmen müssen nun rasch und zielgerichtet umgesetzt werden, um die europäische Wirtschaft effektiv unterstützen zu können.

Um die Erholung nicht zu gefährden, muss der bisherige „Green Deal“ zu einem „Sustainable Deal“ mit einer kraftvollen Industriestrategie weiterentwickelt werden, der auf Wachstumsimpulse, Innovationen, eine moderne europäische Infrastruktur und eine sowohl digitale als auch nachhaltige Transformation der Wirtschaft ausgerichtet ist. Bei jeder neuen Regulierung sollte stets der am wenigsten wachstumsdämpfende Weg eingeschlagen werden.

Dieser Beitrag ist Teil des VCI-Politikbriefs „Therapie für den Aufschwung" (Januar 2021).

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 Jenni Glaser

Jenni Glaser

Abteilungsleitung Politische Kommunikation