Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland steht vor elementaren Herausforderungen. Gründe dafür sind tiefgreifende Umbrüche in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Die Studie „Wege in die Zukunft“ möchte eine Diskussion darüber anstoßen, welche Weichenstellungen notwendig sind, um den Industriestandort Deutschland in eine erfolgreiche, nachhaltige und digitale Zukunft zu führen.
- Publikation
- 14 Seiten / DIN A5
- Zielgruppe
- VCI-Mitgliedsunternehmen; Politik; breite Öffentlichkeit
Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland steht vor elementaren Herausforderungen. Gründe dafür sind tiefgreifende Umbrüche in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Ein wesentlicher Treiber für diese Umbrüche ist die Digitalisierung, eine neue Phase der industriellen Revolution: Dieser technologische Wandel erfordert neue Geschäftsmodelle und löst fundamentale Veränderungen in allen Wirtschaftszweigen aus.
Hinzu kommt das wachsende Bewusstsein der Bürger für die Auswirkungen des Klimawandels. Die Erwartungen an die Unternehmen, nachhaltig zu wirtschaften, nehmen stetig zu. Darüber hinaus beruht der Umbruch auf den Folgen der Weltwirtschaftskrise und neuen politischen Paradigmen. Sie haben dazu geführt, dass die Zustimmung zur Marktwirtschaft und das Vertrauen in die Welthandelsordnung sukzessive abgenommen haben und aktuell weiter abnehmen. Protektionismus und Stärkungen nationaler Lösungen sind vielerorts auf dem Vormarsch. Einige Länder sind von politischer Instabilität geprägt, die Bürger und Unternehmen verunsichert.
Die geo- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen verändern sich derzeit in erheblichem Ausmaß – und werden dies in Zukunft weiter tun. Ein globaler Wettlauf hat begonnen: Wer stellt sich am besten auf die neuen Entwicklungen ein?
Ziel und Struktur der Studie
Die Studie „Wege in die Zukunft“ möchte am Beispiel der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland eine Diskussion darüber anstoßen, welche Weichenstellungen notwendig sind, um das Industrieland Deutschland in eine erfolgreiche, nachhaltige und digitale Zukunft zu führen.
Im ersten Schritt hat der Verband der Chemischen Industrie (VCI) gemeinsam mit Prognos die Auswirkungen der Veränderungen auf die weltwirtschaftlichen Entwicklungen bis zum Jahr 2050 analysiert und die Wachstumsperspektiven der Weltwirtschaft quantifiziert. Erstmals wurden auch die Auswirkungen eines globalen und ambitionierten Klimaschutzes und einer langjährigen Störung des Welthandels durch Protektionismus auf das Wachstum einzelner Branchen in die Projektionen einbezogen.
Anhand einer Modellrechnung wird im zweiten Schritt abgeleitet, welche Auswirkungen die weltwirtschaftliche Entwicklung und das veränderte Umfeld auf das deutsche Chemiegeschäft haben können, wenn Nachhaltigkeit elementarer Bestandteil des Kerngeschäfts wird. Zwei Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:
- Welche Wachstumsperspektiven ergeben sich für den Chemiestandort Deutschland?
- Welche Weichenstellungen muss die Branche vornehmen, um diese Wachstumspotenziale zu realisieren?
Schlussfolgerungen
Um das in der Studie beschriebene Wachstumspotenzial zu realisieren, müssen die Unternehmen vielfältigen Herausforderungen gerecht werden. Denn nicht nur die Wünsche der industriellen Kunden ändern sich im Strukturwandel rapide (vgl. VCI-Studie „Erwartungen der Kundenbranchen an die Chemieindustrie“ , Santiago). Auch die Verbraucher, der Gesetzgeber und zunehmend der Finanzsektor haben wachsende Ansprüche an die Chemiebranche: Sie fordern zum Beispiel den verstärkten Einsatz nachwachsender Rohstoffe, geschlossene Materialkreisläufe und eine weitgehend treibhausgasneutrale Produktion.
Nachhaltigkeit als Chance
Die chemisch-pharmazeutische Industrie begreift Nachhaltigkeit als Chance und entwickelt gemeinsam mit anderen Branchen innovative Lösungen für industrielle Kunden und Konsumenten. Hierzu investiert sie verstärkt in Produkt- und Prozessinnovationen. Allerdings wird der internationale Innovationswettbewerb immer härter. Um langfristig auf den neuen Märkten erfolgreich zu sein, streben die deutschen Chemie- und Pharmaunternehmen an, Technologieführer bei den Prozessinnovationen zu werden und ihre Produktinnovationen schnellstmöglich auf den Markt zu bringen.
Außerdem sind innovative Geschäftsmodelle notwendig, um neue Wachstumsfelder zu besetzen, die beispielsweise durch die Digitalisierung entstehen. Die Unternehmen sind dabei bereit, ihre althergebrachten und erfolgreichen Geschäftsmodelle durch neue zu „kannibalisieren“ (zum Beispiel Chemikalienleasing).
Im Zuge dieser Innovationsoffensive erhöhen sich die Budgets der Branche für Forschung und Entwicklung (FuE). Sie steigen bis 2050 jährlich um 2,5 Prozent und damit deutlich schneller an als in den zurückliegenden Jahren. Im Jahr 2050 werden die Forschungsausgaben mit knapp 26 Milliarden Euro deutlich mehr als doppelt so hoch liegen wie heute. Der größte Anteil der FuE-Ausgaben entfällt auch in Zukunft auf die Pharmaindustrie. Hier ist der Innovationswettbewerb besonders intensiv, weil der lukrative Markt viele Wettbewerber und Nachahmer anlockt. Zudem wird es immer aufwendiger, neue Wirkstoffe zu entwickeln.
FuE-Budgets wachsen
Aber auch in der Chemie werden die FuE-Budgets deutlich zunehmen. Während in der Spezialchemie überwiegend Produktinnovationen und die anwendungsorientierte Forschung im Fokus stehen, sind in der Grundstoffchemie verstärkte Anstrengungen notwendig, um neue Technologien zu entwickeln. Die Neuausrichtung der Chemie erfordert zudem eine deutliche Intensivierung der Investitionsanstrengungen. Neue Geschäftsfelder benötigen neue Produktionsanlagen. Die Unternehmen investieren zudem in ihre digitale Infrastruktur, um ihre Geschäftsprozesse effizienter gestalten zu können.
Im Vordergrund steht aber eine umfangreiche Reform der Produktionsprozesse (unter anderem Elektrifizierung). Allein für den Bau klimafreundlicher Anlagen für die sechs CO2-intensivsten Basischemieprozesse sind bis 2050 zusätzliche Investitionen von 15 Milliarden Euro erforderlich (vgl. VCI-Studie „Auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen chemischen Industrie in Deutschland“, DECHEMA/FutureCamp). Hinzu kommen umfangreiche Investitionen in Pilotanlagen und Anlagen zur Umstellung der Rohstoffbasis oder zum Schließen von Stoffkreisläufen.
Wenn alle diese Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden, sinken die energiebedingten CO2-Emissionen der deutschen Chemieindustrie bis 2050 gegenüber dem Basisjahr 1990 um 95 Prozent. Auch die Rohstoffbasis wird sich weitgehend wandeln: Nachwachsende und Sekundärrohstoffe stehen eindeutig im Fokus. Der Anteil fossiler Rohstoffe sinkt von derzeit knapp 90 Prozent auf rund 40 Prozent im Jahr 2050.
Kontext der Studie
„Chemie ist Zukunft.“ – Damit diese Aussage auch morgen noch gilt, hat der VCI drei Studien in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sollen helfen, die Zukunftsfähigkeit der Branche am Standort Deutschland zu sichern:
- „Wege in die Zukunft – Weichenstellung für eine nachhaltige Entwicklung in der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland“ (Studiennehmer: Prognos)
- „Auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen chemischen Industrie in Deutschland“ (Studiennehmer: DECHEMA und FutureCamp)
- „Erwartungen der Kundenbranchen an die Chemieindustrie“ (Studiennehmer: SANTIAGO)
Kontakt
Für Fragen und Anregungen nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
Dr. Henrik Meincke
Abteilungsleitung Volkwirtschaft, Wirtschafts- und Industriepolitik
- E-Mail: meincke@vci.de